Recht und Gesetz; geschriebenes Recht und Gewohnheitsrecht >>


Geschriebenes und ungeschriebenes Recht

Zwar entsteht Recht, zumal in hochentwickelten Staaten und Gesellschaften, hauptsächlich durch besondere formelle Akte (Gesetzgebung, Verordnung). Aber auch in den modernen Staaten beschränkt sich das Recht nicht auf solche formellen Rechtsnormen. Neben dem gesetzten (geschriebenen) Recht existieren noch andere Rechtsquellen, nämlich die von der Rechtsüberzeugung getragene Rechtspraxis der Bürger. Solches von der tatsächlichen Übung geformtes Recht heißt deshalb Gewohnheitsrecht. Es entsteht ähnlich wie andere soziale Normen, von denen es sich dadurch unterscheidet, daß diese Normen als Recht im Bewusstsein der sie praktizierenden Bevölkerung verankert sind. Daher ist die Verkörperung von Normen in Gesetzen und Verordnungen zwar eine hinreichende Bedingung für die Qualität einer Norm als Rechtsnorm; eine notwendige Bedingung ist sie indessen nicht (zu Begriff und der Geltungsproblematik des Gewohnheitsrechts).

Gesetzliche Generalklauseln und Gewohnheitsrecht

Die Abgrenzung von Gesetzesrecht und Gewohnheitsrecht ist bisweilen nicht eindeutig. Gesetze enthalten häufig sogenannte Generalklauseln, deren Inhalt relativ vage ist, und die dem Rechtsanwender einen mehr oder weniger großen Entscheidungsspielraum bei der Rechtsanwendung belassen. Viele gewohnheitsrechtliche Normen lassen sich ohne Schwierigkeiten solchen Generalklauseln einfügen. Die Generalklausel mit dem größten, durch die Rechtsprechung noch weit über den Wortlaut der Vorschrift hinaus ausgedehnten, Anwendungsbereich im deutschen Recht ist § 242 BGB , der sich demgemäß die meisten gewohnheitsrechtlichen Regeln im Bereich des Privatrechts problemlos zuordnen lassen. In manchen Fällen herrscht Unsicherheit darüber, ob unscharf ausformulierte rechtliche Regeln auf eine gesetzliche Generalklausel wie § 242 BGB oder auf Gewohnheitsrecht zu stützen sind, so z. B. bei der Frage der Haftung wegen schuldhafter Verletzung vertraglicher Pflichten, die bis zur Schuldrechtsreform 2002 als sog. positive Vertragsverletzung (p.V.V.) die Rechtspraxis beschäftigt hat, die aber 2002 im Rahmen der Schuldrechtsreform in §§ 241 Abs.2 ,280 Abs.1 BGB ihre gesetzliche Regelung durch Übernahme der bis dahin gewohnheitsrechtlichen Regelung gefunden hat.

Wenn also auch die Begriffe Recht und Gesetz nicht identisch sind, so ist es doch so, dass in den modernen Staaten die meisten Rechtsnormen gesetzlich fixiert sind. Die formellen Gesetze sind somit die Hauptrechtsquelle, neben denen das Gewohnheitsrecht nur eine marginale Rolle spielt. Die Niederlegung in einem Gesetz begründet jedenfalls die Rechtsnormqualität einer Verhaltensanforderung, aber neben dem gesetzten (positiven) Recht gibt es eben auch noch nicht in Gesetzen niedergelegtes, aber dennoch geltendes Recht. Man kann es auch so sagen: Jedes Gesetz enthält Rechtsnormen; aber nicht jede Rechtsnorm ist gesetzlich fundiert.


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