<< Willenselement (Handlungswille, Rechtsfolgenwille, Geschäftswille) >>


Die Erklärungshandlung muss bewusst vorgenommen sein (sogenannter Handlungswille). Ist die Erklärung überhaupt kein willensgetragenes Verhalten (Traumhandlung, absoluter physischer Zwang, Reflexbewegung), liegt eine Willenserklärung nicht vor. Einigkeit besteht daher darüber, dass eine Willenserklärung Handlungswillen erfordert. Im Grunde genommen hat der Handlungswille als Wirksamkeitsanforderung an die Willenserklärung keine selbständige Bedeutung neben dem Erklärungstatbestand, da die Erklärung als äußerer Tatbestand ja schon ein willensgetragenes Verhalten erfordert.

Herkömmlicherweise wird aber in der zivilrechtlichen Fachliteratur zwischen drei Ausprägungen des Willens als dem "inneren Tatbestand" der Willenserklärung unterschieden, dem Handlungswillen, dem Rechsfolgenwillen (auch als Erklärungsbewusstsein bezeichnet) und dem Geschäftswillen.

Dabei besteht Einigkeit, dass der Handlungswille ist für eine Willenserklärung im Rechtssinne jedoch nicht ausreichend ist. Nicht jede Willensäußerung ist rechtsgeschäftliche Willenserklärung.

Fraglich und umstritten ist jedoch, was hinzukommen muss, damit eine Willensäußerung die Qualität einer rechtsgeschäftlichen Willenserklärung erlangt. Die Frage spitzt sich darauf zu, ob neben dem Handlungswillen als weitere Komponente der Willenserklärung erforderlich ist, dass der Wille auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet ist.

Die vollkommene, fehlerfreie Willenserklärung ist insgesamt vom Willen des Erklärenden getragen: Der Erklärende will genau das, was er auch erklärt hat und ist sich der rechtlichen Relevanz seiner Erklärung bewusst.

Erklärung und der auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtete Wille sind jedoch nicht immer kongruent, sondern können voneinander abweichen. Die Erklärung bringt dann den Willen des Erklärenden nicht zutreffend zum Ausdruck. Das kann verschiedene Gründe haben. Es ist zu unterscheiden zwischen den Fällen, in denen der Erklärende bewusst nicht seinen wirklichen Willen mitteilt und den Fällen, in denen die Diskrepanz zwischen Wille und Erklärung dem Erklärenden nicht bewusst ist. Dazu stellen die §§ 116 ff. BGB detaillierte Regeln auf.

Nicht unmittelbar gesetzlich geregelt ist, welche Bedeutung das sog. Rechtsfolgenbewusstsein für den Begriff der Willenserklärung hat. Das Gesetz gibt auf diese Frage keine eindeutige und klare Antwort. §§ 116 ff. BGB sind nur anwendbar, wenn überhaupt eine Willenserklärung vorliegt. Der Wortlaut der §§ 116 ff. BGB, insbesondere des § 119 Abs. 1 BGB mag ein Indiz dafür sein, dass schon zum Begriff der Willenserklärung gehört, dass der Erklärende mit der Erklärung rechtsgeschäftlich handeln will. Dann wäre danach für die Feststellung einer Willenserklärung ein solches Rechtsfolgenbewusstsein des Erklärenden zu fordern. Folgerichtig wird teilweise für den Begriff der Willenserklärung im Sinne eines Rechtsgeschäfts gefordert, dass der Erklärende nicht nur Handlungswillen hat, sondern mit seiner Handlung auch Rechtsfolgen bewirken will.

Andererseits folgt aus der Regelung der §§ 116 ff. BGB, dass der Geschäftswille nicht zum Begriff der Willenserklärung gehört. Zweifel bestehen daher nur bezüglich des Rechtsfolgenwillens: Ist neben dem Handlungswillen als weitere Komponente der Willenserklärung erforderlich, dass der Wille auf die Herbeiführung von Rechtsfolgen gerichtet ist? M. a. W.: Gehört zu den Begriffsmerkmalen einer Willenserklärung das Erklärungsbewusstsein? Muss der Erklärende die Herbeiführung von Rechtsfolgen beabsichtigen?

Diese Frage gehört zu den berühmten Streitfragen des Zivilrechts. §§ 116 ff. BGB beantworten sie nicht eindeutig, da sie nur anwendbar sind, wenn überhaupt eine Willenserklärung vorliegt. Die Frage, welche Bedeutung das Rechtsfolgenbewusstsein für den Begriff der Willenserklärung hat, wird in der juristischen Literatur kontrovers diskutiert.

In der Fachliteratur wird weiterhin teilweise zur Feststellung einer Willenserklärung ein Rechtsfolgenbewusstsein und ein Rechtsfolgenwille des Erklärenden verlangt, nach der Gegenauffassung dagegen nicht. Die Rechtsprechung nimmt eine vermittelnde Haltung zu diesem Streit ein.

Nach ihr ist an dem Erklärungsbewusstsein als Regelvoraussetzung einer Willenserklärung festzuhalten. Das fehlende Erklärungsbewusstsein kann jedoch dadurch ersetzt werden, dass der Erklärende hätte erkennen müssen, dass der Erklärungsempfänger seine Erklärung als eine rechtsgeschäftliche Handlung verstehen muss. Danach setzt der Begriff der Willenserklärung außer der Erklärung und dem Handlungswillen voraus, dass entweder die Erklärung im Bewusstsein abgegeben wird, dass damit ein Rechtsgeschäft getätigt wird, oder dass dem Erklärenden vorzuhalten ist, dass er hätte erkennen können und müssen, dass seine Erklärung von dem Erklärungsempfänger als ein Rechtsgeschäft interpretiert wird.

Die grundlegende Entscheidung zu diesem Problemkreis ist der sog. Sparkassenfall. In ihm ging es darum, dass eine Sparkasse (Beklagte) an einen Gläubiger ihres Kunden (Kläger) geschrieben hatte, dass sie eine Bürgschaft für Schulden ihres Kunden gegenüber dem Kläger übernommen habe. Aus der Sicht der beklagten Sparkasse enthielt ihr Schreiben lediglich die (falsche) Information über die Bürgschaft, während der Kläger in dem Schreiben eine Bürgschaft erblickte.

Der BGH gab dem Kläger mit folgender Begründung Recht:

"a) Die Ansicht, dass das Erklärungsbewusstsein ein konstitutives Erfordernis der Willenserklärung sei, sein Fehlen also ohne Anfechtung Nichtigkeit zur Folge habe und allenfalls analog § 122 BGB oder aus culpa in contrahendo eine Haftung des Erklärenden auf Ersatz des Vertrauensschadens in Betracht komme, vertreten insbesondere Enneccerus/Nipperdey, Allgemeiner Teil des bürgerlichen Rechts 15. Aufl. 1. Band 2. Halbband S. 901 ff.; Lehmann/Hübner, Allgemeiner Teil des BGB 15. Aufl. § 34 III1b = S. 260; H. Lange, BGB Allg. Teil 12. Aufl. S. 229; Fabricius JuS 1966,1,8; Wieacker JZ 1967,385,389; Thiele JZ 1969,405,407; Canaris, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht, 1971, S. 427 ff. , 548 ff.; derselbe NJW 1974,521,527,528; Frotz, Verkehrsschutz im Vertretungsrecht, 1972, S. 469 ff.; Staudinger/Dilcher, BGB 12. Aufl. vor § 116 Rdnr. 18/27,80/83 (vgl. auch Schmidt-Salzer JR 1969,279,282,284,288). Der Auffassung, dass die ohne jenes Bewusstsein abgegebene Erklärung, die ihr Empfänger als rechtsgeschäftliche verstehen durfte, zunächst wirksam sei, aber wie ein Erklärungsirrtum gemäß §§ 119 Abs. 1,120,121 BGB angefochten werden könne, sind vor allem Larenz, Methode der Auslegung des Rechtsgeschäfts S. 82 ff.; derselbe BGB Allg. Teil 6. Aufl. S. 343 ff.; Flume, Allg. Teil 3. Aufl. Bd. 2 S. 449 f. , allerdings nicht für die konkludente Handlung; Lange/Köhler, BGB Allg. Teil 17. Aufl. Seite 240 ff.; Gudian AcP 169,232 ff.; Kellmann JuS 1971,609,612 f.; von Craushaar AcP 174,2,6 ff.; Brox, Die Einschränkung der Irrtumsanfechtung [1960] S. 50 ff.; derselbe in Erman, BGB 7. Aufl. vor § 116 Rdnr. 3; MünchKomm/Kramer vor § 116 Rdnr. 13 und § 119 Rdnr. 78 ff.; Soergel/Hefermehl, BGB 11. Aufl. vor § 116 Rdnr. 12 bis 15; Bydlinski eingehend in JZ 1975,1.

Der Bundesgerichtshof hat die Frage bisher nicht abschließend entschieden. Er hat sie in den Urteilen vom 20. Oktober 1952 - IV ZR 44/52 = NJW 1953,58 und vom 11. Juli 1968 - II ZR 157/65 = NJW 1968,2102 ausdrücklich offengelassen. Aus der Entscheidung vom 10. Mai 1968 - V ZR 221/64 = JR 1968,420,421 kann nicht eindeutig entnommen werden, dass der Bundesgerichtshof das Erklärungsbewusstsein für konstitutiv halte. Dort ist ausgeführt, dass der Glaube an einen Rechtsübergang kraft Gesetzes den rechtsgeschäftlichen Willen und seine Erklärung nicht ersetzen könne. Dagegen nehmen das eine Gefälligkeitshandlung betreffende Urteil BGHZ 21,102,106 ff: und die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts in NJW 1971,1422,1423 und in DB 1973,1129,1130 an, dass es nicht auf den verborgen gebliebenen inneren Willen des Erklärenden, sondern darauf ankomme, wie der Erklärungsgegner nach Treu und Glauben und unter Berücksichtigung aller Begleitumstände die Äußerung verstehen durfte. Im Urteil vom 14. März 1963 - VII ZR 257/61(= LM BGB § 150 Nr. 6) sieht der Bundesgerichtshof anscheinend das Erklärungsbewusstsein als Voraussetzung einer Willenserklärung an, legt aber auch dar, dass derjenige, der durch schlüssiges Verhalten den Eindruck erweckt, er habe einen Geschäftswillen gehabt und geäußert, ohne ihn tatsächlich zu haben, sich nach § 242 BGB so behandeln lassen müsse, wie wenn er einen Geschäftswillen gehabt hätte. Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 23. Februar 1976 - II ZR 177/74 (WM 1976,448) ist die Unterzeichnung einer Handelsregisteranmeldung durch einen Gesellschafter für die übrigen Gesellschafter regelmäßig dahin zu verstehen, dass er auch im Innenverhältnis billige, was er dort erklärt habe. Dabei sei die Frage, ob ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, nicht nach dem verborgen gebliebenen inneren Willen des erklärenden Gesellschafters, sondern danach zu beurteilen, ob sein Verhalten aus der Sicht der Mitgesellschafter nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Ausdruck eines bestimmten Willens erscheint. In diesem Urteil wird auch eine Anfechtung nach § 119 Abs. 1 BGB für möglich erachtet. Die dort entwickelten Grundsätze wurden allerdings bisher auf Erklärungen, die nicht die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse nach außen und innen zu verändern geeignet sind, soweit ersichtlich, nicht übertragen.

b) Der erkennende Senat ist von den Erwägungen des II. Zivilsenats ausgehend der Auffassung, dass es zur Wirksamkeit der Bürgschaftsverpflichtung nicht darauf ankommt, ob die Vertreter der Beklagten bei der Unterzeichnung und Absendung ihres Schreibens vom 8. September 1981 den Willen oder auch nur das Bewusstsein hatten, eine rechtsgeschäftliche Erklärung abzugeben. Dafür sind in Anlehnung an Bydlinski (aaO) und Kramer (MünchKomm § 119 Rdn. 81 ff.) folgende Gründe maßgebend: In den §§ 116 ff. BGB ist der Begriff der Willenserklärung nicht definiert. Insbesondere aus dem Wortlaut des § 119 BGB kann nichts gegen die hier vertretene Ansicht hergeleitet werden. "Eine Erklärung dieses Inhalts" hat nicht nur nicht abgeben wollen, wer sich einen anderen rechtsgeschäftlichen Inhalt vorgestellt hatte, sondern auch derjenige, der keine rechtsgeschäftliche Erklärung hatte abgeben wollen. Aus § 118 BGB ist nicht zu schließen, dass fehlendes Erklärungsbewusstsein (oder fehlender Geschäftswille) ohne Anfechtung immer zur Nichtigkeit führe. Will der Erklärende, wie in § 118 BGB vorausgesetzt, bewusst keine Bindung in der Erwartung, dass dies auch erkannt werde, so entspricht die Nichtigkeit seinem Willen; ihm braucht die Wahl, das Erklärte gegen und für sich gelten zu lassen oder nach § 119 BGB anzufechten, nicht eröffnet zu werden. Damit nicht zu vergleichen ist eine Erklärung ohne das Bewusstsein, dass sie als rechtsgeschäftliche verstanden wird. Sie steht der irrtümlichen, als rechtserheblich gewollten Erklärung sehr viel näher. Wer erklärt zu kaufen, sich aber Verkauf vorstellt, befindet sich in einer ganz ähnlichen Lage wie derjenige, der das für Kauf übliche Zeichen gibt, aber nicht an Kauf denkt. In beiden Fällen erscheint es angemessen, dem Erklärenden die Wahl zu lassen, ob er nach § 119 Abs. 1 BGB anfechten will und dann das Vertrauensinteresse nach § 122 BGB ersetzen muss oder ob er bei seiner Erklärung stehen bleiben will und dann eine etwaige Gegenleistung erhält, die ihn günstiger stellen könnte als seine einseitige Verpflichtung zum Ersatz des Vertrauensschadens.

Mit dieser Wahlmöglichkeit ist auch das Bedenken ausgeräumt, dass ohne Erklärungsbewusstsein keine privatautonome Gestaltung in Selbstbestimmung vorliege, die durch Selbstverantwortung allein nicht ersetzt werden könne. Das Recht der Willenserklärung baut nicht nur auf der Selbstbestimmung des Rechtsträgers auf; es schützt in §§ 119,157 BGB das Vertrauen des Erklärungsempfängers und die Verkehrssicherheit, indem es den Erklärenden auch an nicht vorgestellte und, was dem gleichzuachten ist, an nicht bewusst in Geltung gesetzte Rechtsfolgen bindet. Die Befugnis des Erklärenden, der in beiden Fällen die tatsächlich in seiner Erklärung zum Ausdruck gebrachten Rechtsfolgen nicht gewollt hat, diese durch Anfechtung rückwirkend (§ 142 Abs. 1 BGB) zu vernichten oder gelten zu lassen, trägt dem Gedanken der Selbstbestimmung ausreichend Rechnung (so auch Soergel/Hefermehl aaO).

Eine Willenserklärung liegt bei fehlendem Erklärungsbewusstsein allerdings nur dann vor, wenn sie als solche dem Erklärenden zugerechnet werden kann. Das setzt voraus, dass dieser bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Erklärung oder sein Verhalten vom Empfänger nach Treu und Glauben und mit Rücksicht auf die Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte (so neben Bydlinski und Kramer insbesondere Larenz, Gudian und Brox jeweils aaO; vgl. auch BGHZ 21,102,106; Palandt/Heinrichs, BGB 43. Aufl. vor § 116 Anm. 4 b)."


Zurück | Weiter

(Wirtschafts)Privatrecht im Überblick




© 2012-2019 Lopau Webservices |  Impressum | Datenschutz